wracks und surfer

Australiens Great Ocean Road

„Selten habe ich einen Küstenabschnitt gesehen, der mehr Furcht einflößt“, sagte der britische Forschungsreisende Matthew Flinders, als er vor gut zweihundert Jahren auf dem Weg nach Melbourne das Cape Otway umrundet hatte. Er meinte jene 180 Kilometer von Port Fairy bis zum Cape, wo auf jeden einzelnen ein gesunkenes Schiff kommt. Doch Schauer und Schönheit liegen manchmal dicht zusammen. Was damals von Seeseite her eine gruselige Gänsehaut erzeugte, bringt heute an Land sämtliche Glückshormone auf Trapp. Die Great Ocean Road zwischen Torquay und Port Campbell gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Sehr guter Surf, feine Sandstrände, dichter Regenwald und eine spektakuläre Steilküste, so lässt sich ihr Ost-West-Verlauf durch Küstenstädte und Badebuchten beschreiben.

Am Ortseingang von Torquay warnt ein Schild: „Kein Alkohol an der Surf Coast.“ Die kleine Stadt gilt als das Surf-Mekka Australiens und bei der Balance auf dem Brett heißt es: klaren Kopf bewahren. Jan Juc und vor allem Bells Beach gehört zu den beliebtesten Stränden. Seit über 40 Jahren wird am Bells die Ripcurl Pro Surfing Classic als Teil der Surf-Weltmeisterschaft ausgetragen wird. „Wir surfen hauptsächlich im Winter, so von Ende März bis Oktober“, meint Iain Lygo vom Surfworld Museum. „Dann ist das Wasser zwar kälter, aber die Wellen sind dafür sehr gut.“

Das Warten auf große Wellen...

Das Warten auf große Wellen...

Torquays Surf Museum

Torquays Surf Museum

Auch dieses Ringen mit den Wellen erinnert an die tragischen Ereignisse der Vergangenheit, mitunter auf amüsante Weise. In Torquays Surfworld Museum steht eine Kabinentür des Segelschiffs „Victoria“, das 1869 vor der Küste auf Grund lief. Ein Matrose benutzte sie, um wellenreitend den Strand zu erreichen. Das erste Surfbrett der australischen Geschichte war erfunden.

Bis Apollo Bay verläuft die Straße dicht am türkisfarbenen Wasser entlang, als zweispuriges Mahnmal des Krieges. 3000 Soldaten trotzten sie zwischen 1919 und 1932 dem steilen Gelände mit Spitzhacke und Schaufel ab, als Erinnerung an jene, die auf den europäischen Schlachtfeldern gefallen waren.

Cape Otway Ranges

Wo sich die Straße vom Ozean weg in die Otway Ranges hineinschlängelt, wird das Rauschen der Brandung leiser. In die wachsende Stille mischt sich das Gezwitscher und Gezeter vieler Vögel, die zwischen den Farn- und Eukalyptusbäumen sitzen. Wenn die Morgensonne den Frühdunst aus Bergen und Bäumen vertreibt, breitet sich der kühle Duft des Regenwaldes aus.

Gleich neben der Straße zum Cape Otway Leuchtturm haben sich Lizzie Corke und Shayne Neal ihren Traum erfüllt. Mit eigenen Händen, viel Idealismus und notwendigen Krediten bauten sie ihr Conservation and Ecology Centre. Dafür gehören ihnen 71 Hektar Land sowie ein aus 14.500 Lehmziegeln und 70 Prozent recyceltem Material errichtetes Domizil mit fünf Doppelzimmern. Sie bieten den Gästen auf ihrem Gelände nicht nur faszinierende Einblicke in die Natur, wunderbare Küche und stilvolle Unterkunft. Sie päppeln vor allem bedürftige Tiere auf, die durch Buschfeuer oder Verkehrsunfälle gelitten haben. Ihre Wallabys, Kängurus, Koalas und Possums kennen sie alle mit Namen. Und wenn Mary, Mandy, Hunter und Jack Sparrow morgens friedlich an ihren Milchflaschen nuckeln, scheint die Welt wirklich noch in Ordnung zu sein.

Koala in Pflege

Koala in Pflege

Frühstück für Känguru-Babys

Frühstück für Känguru-Babys

Beim Spaziergang über das Gelände zirpen die Grillen so laut, dass es in den Ohren schmerzt. Schon mit zwanzig waren sich Lizzie und Shayne einig: „Wir wollen unser Leben nutzen, um für die Schätze der Natur zu werben. Wir wollen auch beweisen, dass man durchaus die Annehmlichkeiten des Lebens genießen kann, ohne dass unser Planet darunter leiden muss.“ Nach der Eröffnung des Centers im Jahre 2004 dauerte es nur wenige Monate, bis sie für ihr Engagement im Öko-Tourismus den begehrten Victoria Tourism Award erhielten.

Blick vom Cape Otway Leuchtturm

Vom Conservation Centre zum Leuchtturm am Cape Otway ist es nicht weit. Er war das erste, was die Einwanderer des 19. Jahrhunderts von Australien sahen. Während des Goldrauschs in Victoria passierten ihn täglich zwischen 50 und 100 Schiffe. „Dort draußen gibt es eine gefährliche Mischung aus kalten und warmen Strömungen, wodurch gefährliche Monsterwellen entstehen können“, erzählt Craig Donahoo beim Bummel über das Gelände, auf dem die schwarz-rot-gelbe Flagge der Aborigines weht. Seit einigen Jahren wird sie täglich gehisst, eine kleine Wiedergutmachung für die Vertreibung der Ureinwohner beim Bau des Leuchtturms 1848.

Cape Otway Leutturm

Cape Otway Leutturm

Lichtanlage im Leuchtturm

Lichtanlage im Leuchtturm

Oben auf der Telegrafenstation saß jemand mit einem Fernglas und entschlüsselte die Flaggensignale der Schiffe. Woher, wohin, wie viele Passagiere, wie viele Tote, und so weiter. Das wurde dann für die Zeitungen nach Sydney telegrafiert.“ Sehenswert ist auch ein Blick auf die Leuchtturmtechnik. Die viereinhalb Tonnen schwere Linse schwamm für eine reibungslose Drehung auf 20 Litern Quecksilber. „Leider auch Todesursache für viele Wärter, die mit dem Material täglich hantieren mussten“, meint Craig.

Unterwegs auf dem Great Ocean Walk

Wo die Great Ocean Road kurz hinter Apollo Bay vorübergehend landeinwärts verläuft, lässt sich seit 2006 der Küstenverlauf erstmals weiterhin direkt verfolgen: zu Fuß. 91 Kilometer lang ist der Great Ocean Walk von Apollo Bay bis zum Port Campbell Nationalpark. Eine Distanz, die ein geübter Bushwalker in sechs bis acht Tagen schafft. Er kann aber auch in kleineren Abschnitten in die unberührte Natur eintauchen.

„Die ersten fünf Tage sind die ‚mild side’“, meint Ranger Brett Manders. „Der Rest ist die ‚wild side’ mit Klippen und Steilküste.“ Der längste Tagesabschnitt zwischen Ryans Den und Devils Kitchen Campsite beträgt 15 Kilometer und ist in gut fünfeinhalb Stunden zu schaffen. „Die beste Zeit für den Track ist der späte Frühling, also November und Dezember oder aber der frühe Herbst im Februar und März. Dann sind die Temperaturen angenehm“, sagt Brett.

Brett Manders erklärt die Camp-Regeln

Brett Manders erklärt die Camp-Regeln

Zeltplatz hoch über den Wellen

Zeltplatz hoch über den Wellen

Der Weg ist schmal und führt durch hüfthohes Buschland und lichten Eukalyptuswald. Besonders steile Hänge werden mit Holztreppen überwunden. Von oben bietet sich immer wieder ein endloser Blick über Buchten und menschenleere Strände. Einige Abschnitte sind von Landseite so unzugänglich, dass das Baumaterial für die Campsites per Hubschrauber eingeflogen werden musste. Essen und Trinkwasser müssen für einige Etappen mitgenommen werden. An den Campsites im Busch gibt es nur den eingeebneten Platz für das Zelt, eine Bio-Toilette und eine Tonne, in der sich unbehandeltes Regenwasser sammelt. Für den minimalen Komfort entschädigen aber märchenhafte Blicke über die Küste und das Geräusch der Brandung zum Einschlafen.

Twelve Apostels

Der Great Ocean Walk endet in der Nähe der "Zwölf Apostel", 45 Meter hohe Sandsteinsäulen, die vor der Küste des Port Campbell Nationalparks aus dem Meer ragen. Aufgrund natürlicher Erosion sind aber nur noch acht vorhanden. Ihr Name klingt so, als ob die Tragödien auf dem Wasser durch den Schutz der Heiligen gemildert werden sollen. Doch auch das klappte nicht ganz. 1878 sank in unmittelbarer Nähe die Loch Ard, und von den 54 Passagieren an Bord überlebten nur zwei.

Auch in der Loch Ard Gorge, wo der Kajütenjunge Tom Pearce und die 18jährige Eva Carmichael erschöpft an Land krabbelten, kommt der Besucher nicht umhin, die grandiose Natur zu bestaunen. Tragödien und Traumkulissen liegen an der Great Ocean Road eben dicht zusammen.


MAP

 

Galerie


NÜTZLICHES

Surferlebnisse bietet Bells Beach in Torquay. Kurios aber informativ ist das kleine Surfworld Museum.

Nicht nur Pflegestation für heimische Tiere, auch stilvolles Gasthaus, um einige Tage in die umgebende Natur einzutauchen: das Cape Otway Centre for Conservation Ecology und die Great Ocean Ecolodge.

Ein Highlight für erfahrene Bushwalker. Es geht es über 91 Kilometer nur zu Fuß direkt an der Küste entlang: Der Great Ocean Walk von Apollo Bay bis zum Glenample Homestead.

In schwindelnder Höhe einen Spaziergang durch die Baumwipfel des Regenwaldes bietet The Otway Fly Tree Top Walk.