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Tuff, Bims und sprudelwasser

Unterwegs auf dem Eifelsteig

„Ausgezeichnetes Manövergelände“, soll Kaiser Wilhelm II. einst über die Eifel gesagt haben, um noch ungeschickter hinzuzufügen „schade, dass hier Menschen wohnen“. Ob die Eifeler es ihrem Kaiser damals krumm nahmen? Der Bahnhofsvorsteher in Andernach wohl nicht. Der trug immer weiße Handschuhe, wenn der Zug des Monarchen einfuhr.

Selbst alte Dampfloks wären heute zu schnell, um die Eifel zu entdecken. Geschweige denn zu laut. In dieser abgeschiedenen Landschaft herrschen ein geruhsames Tempo und die leisen Töne. Also lieber selbst schnaufen, statt es Maschinen zu überlassen und mit festem Schuhwerk auf den Eifelsteig einschwenken. Die ganz großen Anstiege sind auf dem Fernwanderweg, der in Gänze von Aachen nach Trier führt, nicht zu bewältigen. Dafür gibt es unterwegs viel Interessantes, das einen in Atem hält.

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„Brüderchen, komm stirb mit mir.“ Die Buchauslagen im Schaufenster des Kriminalhauses in Hillesheim signalisieren finsteres Treiben. Im ersten Stock reiht sich der Sachverstand des Mordens in 26.000 Bänden aneinander. Diese Sammlung des „Deutschen Krimiarchivs“ ist einzigartig im deutschsprachigen Raum. „Die reale Kriminalitätsrate ist hier aber nicht so hoch“, beschwichtigt Uschi Regh. Hoch sind dagegen die Auflagen der Eifelkrimis, die seit Jahren als Genre mit lokalem Bezug die Szene begeistern.

Vorbei an blühendem Klatschmohn geht’s in den Eifelwald. Bis Gerolstein sind es gut 20 Kilometer. Wo sich der Wald lichtet, zeigt sich eine Landschaft aus Sommerwiesen, sanften Hügeln und hüfthohen Rapsfeldern. Viel Wald ist der Eifel ohnehin nicht geblieben, und wenn, ragt meistens spalierhaft der „Preußenbaum“, die aufgeforstete Fichte, empor. Die meisten Eichen und Buchen, die früher hier typisch waren, wurden bis zum 17. Jahrhundert für die Eisenerzverhüttung zu Holzkohle verarbeitet und verfeuert. Mögen preußische Beamte eine Versetzung in die katholische Eifel auch als Strafe empfunden haben, so sorgten sie doch ab 1815 für eine planvolle Aufforstung, wenn auch mit standortfremden Nadelbäumen. Große Flächen von ihnen sollten nach beiden Weltkriegen noch einmal verschwinden, als Reparationszahlung.

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Oben am Rother Kopf blieb etwas vom alten Wald stehen. Ein Ort, der viel von der Mühsal vergangener Jahre veranschaulicht. Gut vorzustellen, wie hier die Köhler mit ihren schwarzen Gesichtern hausten. Um ihre Familien durchzubringen schlugen die Eifelbauern seit dem 13. Jahrhundert in den Höhlen unter den inzwischen mit Moos bewachsenen Felsen türhohe Mühlsteine aus der Basaltschlacke.

Draußen vor dem Wald brennt die Sonne. In Richtung Gerolsteiner Dolomiten sind die Hänge mit blühendem Ginster überzogen. So richtig heiß war es hier einen erdgeschichtlichen Wimpernschlag früher, als Lava statt Wasser in den Senken floss.

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„Intraplattenvulkanismus“, bemüht der Geologe Peter Bitschene sein Fachvokabular. 350 Vulkane seien einmal auf den Feldern der West- und Osteifel aktiv gewesen. Wasser und Feuer wechselten sich als urzeitliche Erbauer der Landschaft ab. Millionen Jahre vor den Vulkanen wuchsen im Eifelmeer des Devons Korallenriffe, die heute als markante Dolomitfelsen in der Nacht angestrahlt werden.

Geblieben ist auch ein wohlschmeckender Durstlöscher. „CO2-haltiges Grundwasser vom Vulkan sowie Kalzium und Magnesium vom Dolomit, arm an Natrium und Chlor, das ist das Gerolsteiner Wasser“, fasst Bitschene zusammen und führt dorthin, wo es am besten schmeckt: zur Helenenquelle im Kurpark von Gerolstein.

Auch dieser Kurpark ist, wenn man so will, Teil des großen Geoparks Vulkaneifel, einem geologischen Klassenzimmer, das für die Ferien Urzeit als Projektwoche bietet. Da wundert es nicht, dass ein Gymnasiallehrer und Geologe namens Johannes Steininger Mitte des 19. Jahrhunderts als erster den Eifler Mundartnamen „Maar“ als Fachbegriff in die geologische Literatur einführte. Gemeint sind die bis zu einem Kilometer Durchmesser großen Seen, die durch vulkanische Explosionen zunächst als Loch in den Boden gesprengt wurden. Später füllten sich diese Trichter mit Wasser. Ganz anderen explosiven Themen sollte sich einmal einer von Steiningers Schülern widmen: Karl Marx.

Im kalten Wasser des kreisrunden Weinfelder Maars paddeln zwei Schwimmer. Auch auf dem Wall rund um die Senke blüht der Ginster. Der Beiname Totenmaar scheint die beiden nicht zu schrecken. Der Legende nach soll hier einmal ein Schloss samt einer hartherzigen Gräfin versunken sein. Da am Ende der Geschichte die Wiege mit dem Sohn des Schlossherrn auf dem Wasser schaukelte, wird es wohl auch für die beiden Nassforschen ein Happyend geben. Mächtige Bäume am Seeufer überragen noch immer die aus Tuff gebaute Kapelle, die der Graf aus Dankbarkeit für die Rettung seines Kindes im 14. Jahrhundert errichten ließ. Dass es heute noch immer genügend Gründe gibt, der Gottesmutter zu danken, zeigen zahlreiche Votivtafeln im Eingangsbereich. Auch eine Bitte hat sich dazu gesellt: „Allzu groß war meine Begier. Verzeih, oh Gott, und helfe mir.“

Warum darüber nicht einmal nachdenken, wenn jetzt der Eifelsteig nach Süden ins stille Liesertal einschwenkt. Stellenweise nicht breiter als ein Trampelpfad verläuft der Weg an den teilweise steilen Hängen des Tals. Da heißt es: aufmerksam voraus schauen. Langsam scheint die Zivilisation zu verschwinden. Auf vielen Kilometern ist weder ein Haus noch eine Straße in Sicht.

In derart abgeschiedener Landschaft, in der die Bevölkerung still und einfach lebte, wird verständlich, dass die Eifel einen guten Boden für phantasievolle Volkspoesie bot. In Sagen und Legenden spiegelte sich häufig die Sehnsucht nach einer besseren Welt, die oft im Kontrast zum täglichen Leben stand. Doch mit der Entdeckung der Eifel als Urlaubsregion hat sich vieles verändert. Längst bieten Hoteliers, Gastronomen und Cafébetreiber stolz ihre regionalen Produktean. Döbbekuchen ist salonfähig und für einen schmackhaften Alt Eifeler Spießbraten hat sogar das Eifelschwein in natürlicher Umgebung länger gelebt, garantiert.

Auf dem Felsenpfad kurz vor Manderscheid tauchen wieder erste Spuren der Zivilisation auf: die Ruinen der Ober- und Niederburg. Auf der einen hatte Kurfürst Balduin von Trier das Sagen, auf der anderen herrschte der Grossherzog von Luxemburg. Es regierten jedoch über Jahrhunderte Krieg, Belagerung und Ränkespiele.

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In Manderscheid fällt die 1927 im Art Deco-Stil gebaute Festhalle ins Auge. Hier ist heute das Maarmuseum untergebracht, wo sich die Vielfalt der Vulkaneifel noch einmal   auf kleinstem Raum kristallisiert. Nur zwei Kilometer nördlich von Manderscheid wurde vor einigen Jahren das tertiäre "Eckfelder Trockenmaar" entdeckt. Einige der gefundenen Fossilien sind im Museum zu bestaunen. In dem etwa 50 Millionen Jahre alten Ölschiefer fand man bisher Urpferde, die älteste Honigbiene sowie die älteste Laus der Welt. Vielleicht war es eine ihrer Nachfahren, die dem Kaiser damals über die Leber lief, als er seinen Fauxpas über die Eifel beging.


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